Schon 2015 und 2016 war ich davon überzeugt und rücke auch dieses Jahr nicht davon ab: Wir schreiben Im Deutschunterricht Texte im Blog.
Digitales Schreiben halte ich für eine zeitgemäße Form; außer Liebesbriefen, Urlaubspostkarten und Notizen schreibt kaum jemand noch längere Texte mit der Hand. Nicht missverstehen: Ich bin ganz und gar nicht für die Abschaffung der Handschrift in Schule, aber im Deutschunterricht spielt noch etwas Anderes eine wichtige Rolle: die Textüberarbeitung. Und die fällt nun mal einfach bei digital erstellten Texten leichter. ((Wer mal versucht hat, einen Achtklässler dazu zu bewegen, eine DIN A4-Seite handgeschriebenen Text ein oder gar zweimal neu abzuschreiben, um Inhalt, Rechtschreibfehler und Ausdruck zu verbessern, weiß wovon ich spreche.))
Wenn also nicht das Schreiben, sondern das Produkt im Vordergrund steht, wähle ich überzeugt den Computer.
Und dort dann ebenso überzeugt das Blog. ((Die Frage des Artikels für Web-Blog habe ich für mich abschließend geklärt und bleibe bei “das”!)) Die Schüler nutzen nämlich vereinzelt durchaus die Möglichkeit, auch zuhause an ihren Texten zu arbeiten, und auch ich lese mir diese lieber nachmittags in Ruhe durch als im Gewusel einer Stunde.
Auch die Kommentarfunktion ist hier ein Vorteil und ermöglicht schnelle Rückmeldungen im Sinne eines Formative Assessment.
An der eingesetzten Technik hat sich in den vergangenen zwei Jahren nicht viel geändert: Beim Einsatz in inzwischen vier Lerngruppen habe ich die Multi-Site-Funktion von WordPress immer mehr schätzen gelernt, auch wenn die Pflege und Installation von Plugins durchaus Mühe macht.
Die eingesetzten Plugins halten sich aber in Grenzen. Mit WPMembers steuere ich die Registrierung und Anmeldung, mit TinyMCE Advanced erweitere ich den visuellen Editor, sodass verschiedene Schriftarten etc. zur Verfügung stehen. Mit dem Plugin User Role Editor sorge ich für individuell angepasste Benutzerrechte und PrintFriendly bringt einen “Drucken”-Button unter jeden Beitrag.
Um die Texte einzelner Autoren schneller finden zu können, verwende ich das Plugin AVH Extended Categories Widget, mit dem ich in der Seitenleiste in einem Widget alle Schülernamen als Kategorien auflisten kann. Die Schüler müssen nur daran denken, ihre Beiträge der Kategorie mit ihrem Namen zuzuweisen, und schon entsteht automatisch ein Portfolio ihrer Arbeiten.
Das war’s eigentlich.
Als Spielerei habe ich den Blogs in diesem Jahr das BuddyPress-Plugin gegönnt. So können die Schüler sehen, wer angemeldet ist und sogar untereinander Nachrichten verschicken. Mal sehen …
Auf standardmäßig blockierte Beiträge verzichte ich inzwischen. Die Schüler sollen ja auch den Umgang mit der Öffentlichkeit ihrer Werke lernen. ((Im Notfall lassen sich intimere Texte, die nicht öffentlich werden sollen, immer noch als “privat” einstellen, sodass nur der Autor und die Lehrkräfte als Administratoren hier Zugriff haben.))
Soweit so gut.
Im Alltag und in unserem Computerraum bekommt die Sache dann ein paar Ecken und Kanten. Die Internet-Bandbreite unserer Schule hat sich in den letzten Jahren nicht merklich verbessert und wird damit in jeder Stunde zum heimlichen Spielverderber im Hintergrund.
Manche Schüler sind mehr mit der Auswahl eines lustigen Benutzernamens und passenden Profilbildes beschäftigt als mit ihrem Text, andere agieren, als hätten sie noch nie eine Tastatur benutzt.
Aber auch wenn ich deswegen in den ersten Stunden schwitze wie in der Sauna – das gehört dazu. Ich verzichte bewusst auf strenge Vorgaben und ein enges Regelkorsett. Wer die Zeit investieren will, sich einen Avatar zu basteln, soll das doch tun. Habe ich, haben Tausende Nutzer sozialer Netzwerke doch auch gemacht! Wer noch nie prokrastiniert hat, werfe den ersten Stein. Auch dieser Umgang mit digitalen Werkzeugen ist in meinen Augen ein wertvolles – wenn auch verstecktes – Lernziel.
Und wenn das Chaos der ersten Stunde mit 27 gleichzeitigen Registrierungen (“Ich habe mir mein Passwort nicht gemerkt!”), überraschenden technischen Tücken (“Bei mir ist gar kein Button zum Schreiben.”) und ersten Spielereien (“Nein, ‘BigDick007’ ist kein passender Benutzername!”) überstanden ist, entstehen nach und nach Schülertexte, die guten Gewissens in die Weiten des World Wide Web entlassen werden können.
Nachtrag 1:
Eine eigene Domain zur Einrichtung eines WordPress-Blogs kostet übrigens nicht die Welt. Für eine Domain mit 5GB Webspeicher, 5GB Mailspeicher und 3 MySQL-Datenbanken zahle ich aktuell € 5,49 im Monat und habe dafür die Gewissheit, dass alle Daten auf einem deutschen Server liegen und ich die volle Kontrolle darüber habe. (Diese Internetseite ist darin auch enthalten.)
Nachtrag 2:
Wer sich das Betreiben eines eigenen Blogs nicht zutraut (oder antun möchte; Multisites mit WordPress sind zu Beginn ganz schöner Frickelkram), kann mit wenig Aufwand unter wordpress.com ein kostenloses Blog einrichten, das diese Zwecke auch erfüllt, allerdings verliert man die Hoheit über die Daten und sollte sich ein paar mehr Gedanken über Datenschutz und Benutzeranmeldung machen.