Mor­gens nicht recht, nach­mit­tags nicht frei – und trotzdem!

Nach aus­re­ichen­der Erhol­ung in den Oster­fe­rien habe ich auf das Blog­pa­raden-The­ma „mor­gens nicht recht, nach­mit­tags nicht frei haben – trotz­dem zufrieden. Was macht den Beruf der Lehrer:in so attrak­tiv?” wieder einen offeneren Blick, der nicht nur die ermü­den­den Aspek­te des Lehrerberufes erfasst.
Obwohl: Ganz so freud­voll-pos­i­tiv wie vielle­icht noch vor fünf Jahren kann ich diese Frage heute nicht mehr beant­worten. In unser­er Gesellschaft hat sich in den let­zten weni­gen Jahren viel verän­dert, was auch in Schule hinein­wirkt und diesen Job nicht leichter macht, aber das gilt wohl auch für viele andere.
Die Kern­frage lautet dann allerd­ings doch: Würde ich es wieder machen? Und die Antwort bleibt: Ja!

Mor­gens nicht recht, …

Dass ich mor­gens nur durch den Platz am Lehrertisch automa­tisch recht hätte, habe ich nie geglaubt und nie von mir erwartet.
Ich habe kein Prob­lem damit, im Erd­kun­de­un­ter­richt spon­tan mit der Klasse zu googlen, wenn ich das Kap Hoorn verse­hentlich nach Südafri­ka ver­legt habe, die Rechtschrei­bung eines Wortes zu prüfen oder mich über ein verän­dertes Berufs­bild belehren zu lassen. Mor­gens recht zu haben, hat für mich nie bedeutet, alles zu wis­sen und unwider­sprochen zu bleiben.

Verän­dert hat sich aber, dass manche Schüler gar nicht mehr an erlen­barem Wis­sen inter­essiert sind, son­dern ihnen oft eine – meist ihre – Mei­n­ung zu etwas genügt. Dinge auch mal bis in die Tiefe zu hin­ter­fra­gen ist müh­sam und scheint ein wenig aus der Mode gekom­men zu sein.

Und während ich noch zu Beginn meines Lehrerlebens die Überzeu­gung und stille Übereinkun­ft mit den Schülern hat­te, dass sie etwas aus sich machen kön­nen, wenn sie ihre Ressourcen auss­chöpfen, ler­nen und sich bemühen, ver­misse ich heute immer häu­figer den Ehrgeiz, sich eigen­ständig etwas für die Zukun­ft erar­beit­en zu wollen.
Über die zunehmende Ich-Bezo­gen­heit bei aber gle­ichzeit­ig sink­ender Selb­st­ständigkeit habe ich im kleinen Kreise schon genug geklagt, von anderen man­gel­nden Kom­pe­ten­zen lässt sich in zahlre­ichen aktuellen Stu­di­en lesen.
Nein, der Unter­richtsvor­mit­tag ist nicht ein­fach­er geworden.

… nach­mit­tags nicht frei …

Und auch die Nach­mit­tage sind voller und länger gewor­den.
Gesellschaftliche Symp­tome und ver­mut­lich auch Fol­gen der Coro­na-Zeit führen, zumin­d­est in meinem Umfeld, zu ver­mehrten sozialen Auf­fäl­ligkeit­en der Schü­lerin­nen und Schüler, ver­bun­den mit mehr Elternge­sprächen oder auch entsprechen­den Konferenzen.

Die geführten Elternge­spräche haben sich eben­falls verän­dert, manch­mal muss einige Zeit darauf ver­wandt wer­den, sich über eine gemein­same erzieherische oder moralis­che Basis zu ver­ständi­gen, und selb­st das gelingt nicht mehr immer.

Auch der Zeitaufwand für das „Kerngeschäft” Unter­richt ist gestiegen. Ein­er sich verän­dern­den Schüler­schaft unter­richtlich gerecht zu wer­den und auch hin­sichtlich der didak­tis­chen Mit­tel – Stich­wort Dig­i­tal­ität und Dig­i­tal­isierung – auf dem Laufend­en zu bleiben, führt zu ein­er deut­lich aufwändi­geren Unter­richtsvor­bere­itung als noch vor eini­gen Jahren. Ich habe schon lange kein vergilbtes Arbeits­blatt mit einem „passt scho” für den näch­sten Mor­gen ein­fach nur noch kopieren kön­nen oder mögen.

… und trotzdem!

Es ist ein Traum­beruf!
Kein Vor­mit­tag ist wie der andere – nicht nur die The­men ändern sich ständig, son­dern auch die jun­gen Men­schen, denen man gegenüber ste­ht, brin­gen immer neue Impulse, Fra­gen und Anre­gun­gen mit in den Raum.
Allein ihre Entwick­lung zu immer reflek­tiert­eren und selb­st­ständi­geren Men­schen zu begleit­en und zu beobacht­en, ist ein großar­tiger Aspekt dieses Berufes.

Frei­heit­en (und Sicher­heit­en), die es in vie­len anderen Berufen nicht gibt, gehören eben­falls zu den Vorteilen des Lehrerberufs.
Die Möglichkeit, seine eige­nen Schw­er­punk­te und auch Inter­essen mit in den Unter­richt ein­brin­gen zu kön­nen und in diesem Jahr z.B. Großs­tadt-Lyrik statt Herb­stgedichte zu behan­deln oder dem tro­pis­chen Regen­wald zwei Stun­den mehr zu wid­men als den Laub- und Nadelmis­chwäldern, sind nur kleine Beispiele für Frei­heit­en, die mir ein Ver­wal­tungs­beruf wohl nicht bieten würde.
Und dieses hohe Maß an gestal­ter­ischem Freiraum ist ver­bun­den mit großer finanzieller und beru­flich­er Sicher­heit – statt Kurzarbeit gab’s zu Coro­na eine nachträgliche Einmalzahlung.

Das für mich Entschei­dende ist jedoch das Gefühl, dass das, was ich täglich mache, einen Wert hat und wichtig ist. Mit dem täglich aus­geübten Beruf einen sin­nvollen Beitrag zu leis­ten und mit viel Glück an der einen oder anderen Stelle das Leben junger Men­schen pos­i­tiv zu bee­in­flussen und ihnen vielle­icht etwas von Wert mitzugeben, ist ein wichtiger Aspekt des Lehrerlebens und macht für mich einen großen Teil sein­er Attrak­tiv­ität aus.


Fußnote:
Eine Rei­he von bil­dungsaffinen Blog­gern hat sich zum Ziel geset­zt, 2024 häu­figer the­ma­tisch gemein­sam zu bloggen. Die The­men­vorschläge wer­den an dieser Stelle gesam­melt, weit­ere Per­spek­tiv­en und Beiträge zum aktuellen The­ma gibt es hier:

Matthias in: Herr Mess – https://herrmess.de/2024/03/14/edublogparade-folge‑3/
Chris­tiane in: Neues aus dem Baumhaus – https://​moewen​leak​.word​press​.com/​2​0​2​4​/​0​3​/​1​6​/​b​l​o​g​p​a​r​a​d​e​-​3​-​m​o​r​g​e​n​s​-​n​i​c​h​t​-​r​e​c​h​t​-​m​i​t​t​a​g​s​-​n​i​c​h​t​-​f​r​e​i​-​h​a​b​e​n​-​w​a​s​-​m​a​c​h​t​-​d​e​n​-​b​e​r​u​f​-​d​e​r​-​l​e​h​r​e​r​i​n​-​n​o​c​h​-​a​t​t​r​a​k​t​iv/
Jan-Mar­tin in: Halb­tags­blog – https://​halb​tags​blog​.de/​2​0​2​4​/​0​3​/​0​4​/​b​l​o​g​p​a​r​a​d​e​-​3​-​m​o​r​g​e​n​s​-​n​i​c​h​t​-​r​e​c​h​t​-​n​a​c​h​m​i​t​t​a​g​s​-​n​i​c​h​t​-​f​r​e​i​-​v​o​m​-​l​e​h​r​b​e​r​uf/
Lehrer mit Bart in: Halb­tags­blog (Gast­beitrag) – https://halbtagsblog.de/2024/03/25/gastbeitrag-zur-blogparade‑3/
Erik in: Schul­MUN – https://www.schulmun.de/2024/03/07/2024–08-die-attraktivitaet-des-lehrberufes-als-teil-einer-blogparade/
Susanne Pos­selt in: Bil­dungsweise – https://​susan​nepos​selt​.de/​m​i​t​-​b​e​g​e​i​s​t​e​r​u​ng/
Tobias in: Gedanken aus der Schule – https://​tobias​-schrein​er​.net/​2​0​2​4​/​0​3​/​2​5​/​w​a​s​-​m​a​c​h​t​-​d​e​n​-​l​e​h​r​b​e​r​u​f​-​s​o​-​a​t​t​r​a​k​t​iv/

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