Qua­li­fi­zie­rung … Qua­li­fi­zie … Qua­li­fi … Qual

Als neu­er Schul­lei­ter durch­läuft man in mei­nem Bun­des­land eine Qua­li­fi­zie­rungs-Fort­bil­dung, die aus vier Modu­len besteht, die jeweils meh­re­re Onlin­ever­an­stal­tun­gen und Prä­senz­tref­fen umfas­sen.
Eine eigent­lich gute Idee, denkt man an die viel­fäl­ti­gen Auf­ga­ben einer Schul­lei­tung, die jeden Tag kon­kret auf dem Schreib­tisch lie­gen. Nur: Kon­kret wird es lei­der auch bei der drit­ten  Prä­senz­ver­an­stal­tung nicht wirklich.

Tag 1:
Beginn um 09:30 Uhr mit einer Run­de, in der jeder von uns eines der aus­lie­gen­den Bil­der wählt und anhand des­sen beschreibt, wie es ihm geht und wie er ange­kom­men ist.
Danach „Oben­auf-The­men” aus der Teil­neh­mer-Run­de bis zur ers­ten Kaf­fee­pau­se um 11:30 Uhr.

Nach der Kaf­fee­pau­se ein Input zum The­ma „Chan­ge-Manage­ment” und Vor­stel­lun­gen des „3‑Pha­sen-Modells” nach Lewin und der „Chan­ge-Kur­ve” nach Küb­ler-Ros­s/Streich.
Danach Mit­tags­pau­se von 13:00 bis 15:00 Uhr.

Um 15:00 Uhr ein kur­zer Input zu den vier „Zim­mern der Ver­än­de­rung”, danach eine zwei­stün­di­ge Grup­pen­ar­beit, in der die mög­li­chen Gedan­ken und Aus­sa­gen von Lehr­kräf­ten anhand eines Pro­jekt­bei­spiels für alle vier Zim­mer der Ver­än­de­rung durch­ge­spielt wer­den sol­len. Danach Prä­sen­ta­ti­on der Flip­charts in einem halb­stün­di­gen Gale­rie­gang.
Anschlie­ßend Abend­essen und Feierabend.

Tag 2
Beginn um 09:00 Uhr mit einer Mur­mel­run­de: „Was stresst mich?” und: „Wie mer­ke ich, dass ich gestresst bin?” Anschlie­ßend kom­men alle Stich­wor­te dazu auf klei­ne rote Kar­ten und an eine Pinn­wand, wo sie aus­führ­lich und ger­ne mehr­fach bespro­chen werden.

Gegen 10:00 Uhr dann Samm­lung bereits in Schu­le erleb­ter Kri­sen­si­tua­tio­nen auf die glei­che Wei­se. Hier wird es still in der Grup­pe, denn an der Pinn­wand sam­meln sich erschre­ckend vie­le Kri­sen, hin­ter denen sich teil­wei­se dra­ma­ti­sche Geschich­ten ver­ber­gen.
Das Gan­ze bleibt trotz ver­ein­zel­ter Trä­nen der Betei­lig­ten unbe­spro­chen, dafür gibt es dann einen Input zu den Defi­ni­tio­nen von Stress und Kri­se, anschlie­ßend eine Grup­pen­ar­beit, in der ein Hand­lungs­plan zu einem vor­ge­ge­be­nen Fall­bei­spiel auf­ge­stellt wer­den soll. Am Ende dann Prä­sen­ta­ti­on der Fall­bei­spie­le und Hand­lungs­plä­ne an der Pinn­wand.
Von 13:00 bis 15:00 Uhr Mittagspause.

Um 15:00 Uhr noch zwei vor dem Mit­tag nicht mehr prä­sen­tier­te Fall­bei­spie­le, anschlie­ßend freie Zeit zur Erstel­lung eines schul­ei­ge­nen Kri­sen- und Not­fall­plans bis 17:00 Uhr. Die Refe­ren­ten ste­hen für Fra­gen bereit und berei­ten ansons­ten den mor­gi­gen Tag vor. Oder so.

Von 17:00 bis 18:15 Uhr Zeit für Klein­grup­pen-Tref­fen zur kol­le­gia­len Fall­be­spre­chung.
Um 18:15 Uhr noch ein „Check­out” mit Tages-Feed­back, danach Abend­essen und Feierabend.

Tag 3:
Um 09:00 Uhr Beginn mit dem Down­load von drei Tex­ten zu „Agi­lem Pro­jekt­ma­nage­ment”, die eigent­lich in der Vor­be­rei­tung zu lesen gewe­sen wären, was aber nie­mand getan hat und wovon die Refe­ren­ten auch nicht aus­zu­ge­hen schei­nen.
Danach gemein­sa­mes Anhö­ren einer Pod­cast-Epi­so­de, die irgend­wie mit dem The­ma zu tun haben soll und alle Anwe­sen­den – die Refe­ren­ten ein­ge­schlos­sen – mit knapp 40 Minu­ten Län­ge über­rascht.
Das eigent­lich geplan­te Grup­pen­puz­zle zu den drei Tex­ten wird dann auf­grund des uner­war­te­ten Zeit­man­gels auf „Jeder-liest-und-irgend­wer-aus-der-Grup­pe-fasst-anschlie­ßend-für-die-ande­ren-münd­lich-zusam­men” geschrumpft.

12:30 bis 13:30 Uhr Mit­tag­essen; anschlie­ßend betreu­tes Rei­se­kos­ten­an­trag-Aus­fül­len, eine Feed­back-Run­de und Schluss.

Weder an Tag 1, 2 oder 3:
Kon­kre­te Vor­schlä­ge oder Bei­spie­le aus dem Erfah­rungs­schatz der Refe­ren­ten, wie man Zweif­ler oder Brem­ser in der Schul­ent­wick­lung mit­neh­men, und/oder wie man im Sys­tem Schu­le erfolg­reich Per­so­nal­ent­wick­lung betrei­ben kann.

Best-prac­ti­ce-Bei­spie­le von Kri­sen- und Not­fall­plä­nen aus den ver­schie­de­nen ver­tre­te­nen Schul­for­men, anhand derer man bespricht, was sein muss, sein soll­te oder sein kann, bevor jeder einen eige­nen Plan schreibt (den im Übri­gen eini­ge von uns schon hat­ten, was den Diens­tag­nach­mit­tag noch über­flüs­si­ger gemacht hat).

Pra­xis­bei­spie­le und even­tu­ell dazu pas­sen­de Tools zum Projektmanagement.


Nach­trag I: Ich glau­be nicht, alles bes­ser zu wis­sen, im Gegen­teil: Ich wür­de sehr ger­ne in einer Qua­li­fi­zie­rung qua­li­fi­ziert wer­den. Mei­ne Schul­lei­tungs-Tätig­kei­ten-Wis­sens­lü­cken sind immens, und sie zu schlie­ßen kos­tet mich viel Zeit, die ich dann unger­ne in Hotels vergeude.

Nach­trag II: Ich habe an sol­chen Ver­an­stal­tun­gen ein rein dienst­li­ches Inter­es­se und suche dort weder Freun­de noch Anschluss. Der abend­li­che gemein­sa­me Besuch der Kel­ler­knei­pe fin­det also ohne mich statt, obwohl er der Abschluss­run­de zufol­ge für eine nicht gerin­ge Anzahl der Teil­neh­mer das High­light sol­cher Tage zu sein scheint.

Nach­trag III: Ich bin ver­mut­lich ein arro­gan­ter Ar***.

6 Comments on “Qua­li­fi­zie­rung … Qua­li­fi­zie … Qua­li­fi … Qual

  1. Nein, ich neh­me Sie in Ihren Beschrei­bun­gen der Qua­li­fi­zie­rung nicht als arro­gant war. Ihre Zeit als Schul­lei­tung ist vor Ort in der Schu­le wich­tig. Wenn dann kein Zuge­winn an Kom­pe­tenz und Werk­zeu­gen erreicht wird, ist Frust und Ent­täu­schung nachvollziehbar.
    Auch bei unse­rer Schul­ent­wick­lung fra­ge ich mich als enga­gier­te Kol­le­gin, wie mei­ne Schul­lei­tung die Brem­ser ins Boot holen kann bzw. mit­ma­chen­de Kolleg:innen an unse­re Schu­le locken kann. Mein Schul­lei­ter rät mir regel­mä­ßig zu bzw. erin­nert an Geduld und Gelassenheit.
    Vie­len Dank, dass Sie hier im Blog so detail­liert Ihren Arbeits­all­tag schil­dern. Ich lese Ihren Blog sehr ger­ne und neh­me viel Ver­ständ­nis für die Arbeit als Schul­lei­tung mit.

    1. Ja, an Geduld und Gelas­sen­heit arbei­te ich auch noch.
      Aber tat­säch­lich ver­ste­he ich jetzt in der ande­ren Rol­le und mit ande­rem Ein­blick in das, was die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen bewegt, etwas bes­ser, war­um nicht jede und jeder gleich schnell und viel kann.

  2. Moin: Zwei Anmerkungen.

    1. Ich mag Fort­bil­dun­gen mit lan­gen Mit­tags­pau­sen auch nicht, vor allem, wenn es dann abends bis 22 Uhr geht womög­lich. Ich mag Fort­bil­dun­gen auch nicht, deren Inhalt in eine Email passen.

    2. Ich habe anfangs, da war ich noch zwei­ter Kon­rek­tor, mal einen Anruf der vor­ge­ord­ne­ten Dienst­be­hör­de bekom­men, weil ich in einem Post auf mei­nem Blog die­se Art Fort­bil­dung als „Zwangs­fort­bil­dung” beti­telt habe. Seit­dem weiß ich, dass „man” mich liest.

    Ansons­ten: Ich tei­le dei­ne Mei­nun­gen im Gro­ben. Das meis­te lernt man ja doch „on the job” – und das macht es nicht unbe­dingt einfacher.
    Ich habe in den Ord­ner danach nicht wie­der aus­führ­lich rein­ge­schaut – hat­te aber zu dem Zeit­punkt schon eine sehr hilf­rei­che vor­ge­ord­ne­te Dienst­be­hör­de (in mei­nem frü­he­ren Regie­rungs­be­zirk und habe fest­ge­stellt, dass man auch im KM Feh­ler ruhig zuge­ben kann. Aber viel­leicht ist das bei mir eine Ausnahme.
    Durch die Fort­bil­dun­gen habe ich aber Kol­le­gen aus ande­ren Regie­rungs­be­zir­ken ken­nen­ge­lernt und rufe man­che noch heu­te an, wenn ich mal eine Fra­ge habe – oder wer­de angerufen.

    1. Hm … Da muss ich dich glatt noch mal quer­le­sen. Set­ze jetzt mal dar­auf, dass mein klei­nes Blog hier eine äußerst über­schau­ba­re Reich­wei­te hat.
      Ich will ja auch das For­mat an sich gar nicht kri­ti­sie­ren, ich ken­ne die Hin­ter­grün­de und Pla­nungs-Gedan­ken dazu gar nicht.
      Ich – und viel­leicht ja auch wirk­lich nur ich! – stö­re mich ledig­lich an der Umset­zung, wie ich sie erlebe.

      Netz­wer­ken in sol­chen gro­ßen Grup­pen ist übri­gens tat­säch­lich mei­ne Schwäche. 🫣

    1. Da hät­te ich ja ger­ne den Ver­gleich zur kri­ti­sier­ten Fassung.
      So hört sich das näm­lich gar nicht so schlecht an, da müss­te ich lan­ge mit gro­ber Fei­le drü­ber­ge­hen, bevor mein Post so klingt. 😁

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