AI’m not convinced

(Ein Bei­trag zur Blog­pa­ra­de #kAI­ne­Ent­wer­tung)

Es ist nicht lan­ge her, da hieß die neu­es­te Inno­va­ti­on im Schul­all­tag: Pad­let. Dann kam Poké­mon Go, kurz­zei­tig sogar für den Unter­richt ent­deckt – Bewe­gung! Gami­fi­ca­ti­on! Digi­ta­les Lernen!

Der Hype um KI in Schu­le und Unter­richt erin­nert mich an die­se Poké­mon-Go-Tage: alle drau­ßen, auf­ge­regt, mit glän­zen­den Augen. „Man muss das jetzt aus­pro­bie­ren, sonst ver­passt man den Anschluss.“ Nur dass es dies­mal nicht um bun­te Ava­tare geht, son­dern um das Aus­la­gern und viel­leicht sogar Auf­ge­ben des Denkens.

Die­ser Blogbeitrag

… hat sich im Ver­lauf des Schrei­bens ein wenig zu einem Rant ent­wi­ckelt und ist dar­über sicher etwas ein­sei­tig gewor­den. Aber auch, wenn ich nicht mit maxi­ma­lem Pes­si­mis­mus in die Zukunft bli­cke wie Jan-Mar­tin Klin­ge, kann ich dem Ein­satz von KI in Schu­le der­zeit nicht viel Posi­ti­ves abgewinnen.

Es geht also nicht um die mög­li­chen Seg­nun­gen künst­li­cher Intel­li­genz und auch nicht um die Fra­ge, wie sie Gesell­schaft, Wirt­schaft, Medi­zin und ande­re Berei­che unse­res Lebens ver­än­dern wird.
Es geht auch nicht um ein tie­fe­res Ver­ständ­nis von Machi­ne Lear­ning, das kann man bei Herrn Rau nach­le­sen (oder es ver­su­chen).
Auch um Begriffs­klä­run­gen geht es mir nicht, die hat Armin Hanisch schon vor­treff­lich vor­ge­nom­men! Und obwohl ich ihm abso­lut zustim­me, gehen auch mir im Fol­gen­den LLM und KI immer wie­der durch­ein­an­der – sor­ry, Armin!
Mir geht es um die Anwen­dung.
In Schu­le und Unterricht.

Wäh­rend sich selbst die Ent­wick­ler künst­li­cher Intel­li­genz noch nicht immer ganz sicher zu sein schei­nen, was sie da los­ge­las­sen haben, und Poli­tik und Gesell­schaft noch über zahl­rei­che ethi­sche, öko­no­mi­sche und ande­re Fra­gen dis­ku­tie­ren, haben sich die Bil­dungs-Influen­cer und Ear­ly-Adop­ter in Schu­le längst auf den Weg gemacht. In vie­len Schu­len und Schul­stun­den wird schon flei­ßig expe­ri­men­tiert, und vor KI-Fort­bil­dun­gen kann man sich gera­de kaum ret­ten.
Alle sprin­gen auf einen Zug auf, von dem nie­mand weiß, wohin er fährt.

Die Ent­wer­tung unse­rer Profession

Die­je­ni­gen unter den Lehr­kräf­ten, die künst­li­che Intel­li­genz jetzt als Revo­lu­ti­on fei­ern und nicht erwar­ten kön­nen, die viel­fäl­ti­gen Mög­lich­kei­ten von der Unter­richts­vor­be­rei­tung bis zu den läs­ti­gen Kor­rek­tu­ren aus­zu­lo­ten, spre­chen nur sel­ten über den Preis – über Ener­gie­ver­brauch, Daten­zen­tren, Asym­me­trien, oder die schlich­te Tat­sa­che, dass maschi­nel­le Intel­li­genz kei­ne mora­li­sche hat.

Sie spre­chen auch nicht dar­über, dass sie flei­ßig an der Ent­wer­tung des eige­nen Berufs­stands arbei­ten.
Wenn von der Vor­be­rei­tung gan­zer Unter­richts­ein­hei­ten über zuge­hö­ri­ge Tests und Klas­sen­ar­bei­ten bis hin zu deren Kor­rek­tu­ren wesent­li­che Kern­auf­ga­ben des Leh­rer­be­rufs an LLMs aus­ge­la­gert wer­den, blie­be doch – so die posi­ti­ve Beschwö­rungs­for­mel – mehr Zeit für päd­ago­gi­sche Beglei­tung. Nur: Dafür wären Sozi­al­päd­ago­gin­nen und Sozi­al­päd­ago­gen ver­mut­lich geeig­ne­ter. Und günstiger.

Herr Rau spricht von sei­nem Selbst­ver­ständ­nis als Leh­rer, wenn er die­sen „intel­lek­tu­ell anspruchs­volls­ten Aspekt“ an unse­rem Beruf nicht an eine KI aus­la­gern mag und wirft damit über die rein tech­ni­schen und öko­no­mi­schen Fra­gen auch die des Berufs­ethos auf, die für den Wert des Leh­rer­be­rufs in der Gesell­schaft nicht min­der bedeut­sam sein dürfte.

Die Umwer­tung von Leistung

Nicht all­zu sel­ten machen sich die glei­chen Lehr­kräf­te, die sich ihren Unter­richt von KI vor­den­ken las­sen, inten­siv Gedan­ken dar­über, wie sie ver­hin­dern kön­nen, dass Schü­ler KI für wie­der­um ihre Auf­ga­ben nutzen.

Aber auch, wenn inner­halb des Schul­vor­mit­tags mit Inter­net­fil­ter oder Han­dy-Ver­bot noch ver­sucht wird, die neu­en Mög­lich­kei­ten im Zaum zu hal­ten, ist spä­tes­tens am Nach­mit­tag der Damm gebro­chen.
Wenn wir Erwach­se­nen ihnen nicht nur vor­le­ben, dass ein­fa­che Auf­ga­ben an die KI über­ge­ben wer­den kön­nen, son­dern vie­le dies auch offen­siv pro­pa­gie­ren, war­um soll­ten jun­ge Men­schen dann nicht auch ihre Haus­auf­ga­ben an die KI auslagern?

Und hier schließt sich dann der Kreis von KI-vor­be­rei­te­tem Unter­richt zu KI-gelös­ten Hausaufgaben.

Damit ein­her geht die Ent­wer­tung des­sen, was lan­ge als Zei­chen indi­vi­du­el­ler Kom­pe­tenz galt: die eige­ne Text­pro­duk­ti­on, das Nach­den­ken, das Üben.

Natür­lich liegt auch hier eine Chan­ce: Schon lan­ge ist es kein Geheim­nis mehr, dass die meis­ten schu­li­schen Auf­ga­ben gera­de­zu prä­de­sti­niert dafür sind, an einen Com­pu­ter aus­ge­la­gert zu wer­den, weil sie wie LLMs oft nur längst Durch­ge­kau­tes wie­der­käu­en und kaum wirk­lich Neu­es, Krea­ti­ves, viel­leicht gar Zer­stö­re­ri­sches ver­lan­gen und zulassen.

In naher Zukunft wird es noch stär­ker zu einer Umwer­tung schu­li­scher Leis­tun­gen kom­men müs­sen – eine Neu­ord­nung der Art, wie die­se Leis­tun­gen ent­ste­hen und wie wir sie bewer­ten. Wenn Ler­nen und Arbei­ten co-krea­tiv mit KI gesche­hen, dann reicht das alte Maß der „eige­nen Leis­tung“ nicht mehr. Ori­gi­na­li­tät wird komplizierter. 

Das Pro­blem dabei: Wir sind noch nicht so weit, aber machen schon mal.

Die Mär vom Zeitgewinn

Wer glaubt, KI spa­re Zeit und ent­las­te, hat die Rech­nung doch ohne die Kon­trol­le gemacht. Denn jedes Ergeb­nis will geprüft wer­den – auf Plau­si­bi­li­tät, Logik, manch­mal sogar auf gesun­den Men­schen­ver­stand.
Wer sich z. B. Tex­te für den Unter­richt erstel­len lässt, muss am Ende so vie­le Quel­len zur Ver­mei­dung des „KI-Hal­lu­zi­nie­rens“ über­prü­fen, dass er den Text wohl auch gleich hät­te selbst schrei­ben können.

Wird die­se Kon­trol­le unter­las­sen, steht ver­mut­lich tat­säch­lich mehr Zeit für ande­re Tätig­kei­ten zur Ver­fü­gung. Schlimms­ten­falls wird die­se dann aber spä­ter auch gebraucht, um die durch fal­sche Ergeb­nis­se, feh­ler­haf­te Quel­len oder Fake-News ver­ur­sach­ten Schä­den zu beheben.

Nicht alles kann …

Wenn ich den Kol­le­gen unter­sa­ge, die Schü­ler im Unter­richt auf ihren Smart­phones oder iPads ChatGPT und Co. ver­wen­den zu las­sen, erhal­te ich erstaun­te Bli­cke und den Hin­weis dar­auf, dass aber doch an der Nachbarschule …

Bei der Nach­bar­schu­le han­delt es sich jedoch um ein Gym­na­si­um, in des­sen Ober­stu­fe mit voll­jäh­ri­gen Schü­lern gänz­lich ande­re Bedin­gun­gen gel­ten.
In der Sekun­dar­stu­fe I kann eine per­so­na­li­sier­te Nut­zung von ChatGPT und ande­ren Tools, deren Ser­ver­stand­ort in den USA liegt, aus Grün­den des Daten­schut­zes nicht gestat­tet sein, die AGB von Ope­nAI erlau­ben einen Account für Min­der­jäh­ri­ge ohne­hin nur mit Zustim­mung der Eltern, unter 13-Jäh­ri­gen gar nicht.

Eine Mög­lich­keit, künst­li­che Intel­li­genz daten­schutz­kon­form zu nut­zen, wäre der­zeit allen­falls mit KI-Platt­for­men wie „fobizz“, „schul­KI“ oder „tel­li“ gege­ben, die eine Schnitt­stel­le zur anony­mi­sier­ten Nut­zung gän­gi­ger Chat­bots bie­ten.
Ohne die­se Tools kann die durch­aus not­wen­di­ge Auf­klä­rung und kri­ti­sche Betrach­tung ver­schie­de­ner Chat­bots nur wie ein Che­mie­ver­such mit Magne­si­um erfol­gen – vor­ne am Lehrertisch.

… nicht alles muss

Reden wir auf Dienst­be­spre­chun­gen über KI, dann zeigt sich im Kol­le­gi­um eine gro­ße Band­brei­te. Vom Kol­le­gen, der alle Fach­bü­cher ein­scannt und von ChatGPT zusam­men­fas­sen lässt, über die­je­ni­gen, die sich schon Tafel­bil­der oder Voka­bel­tests erstel­len las­sen, bis zu denen, die die­ser Tech­no­lo­gie kri­tisch oder sogar gänz­lich ableh­nend gegenüberstehen. 

Bis wir im Pro­zess der Schul- und Unter­richts­ent­wick­lung dies­be­züg­lich gemein­sam eine Hal­tung ent­wi­ckelt haben, wird es noch ein lan­ger Weg sein.
Und bis dahin bin ich zwar durch­aus froh um Kol­le­gen, die aus­pro­bie­ren und berich­ten kön­nen, aber für Rege­lun­gen schul­wei­ter Nut­zung oder gar der Beschaf­fung von Schul­li­zen­zen ist es noch zu früh.

Und noch etwas ande­res bewegt mich: Nicht nur ist hier ist seit 2021 Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung laut Erlass ver­pflich­ten­de schu­li­sche Bil­dungs­auf­ga­be, auch im Kol­le­gi­um ist dies prä­gen­des The­ma in der Schul­ent­wick­lung.
Für mich stellt da bereits unse­re 1:1‑Austattung mit iPads ab Klas­se 7 einen ethisch-mora­li­schen Kon­flikt dar, eine umfas­sen­de Nut­zung von KI im Unter­richt wäre noch eine Steigerung.

Sicher bie­tet KI wie ver­mut­lich in nahe­zu allen Bil­dungs­be­rei­chen auch für das Lern­feld Nach­hal­tig­keits­the­men durch­aus Chan­cen, aber ohne den öko­lo­gi­schen Ein­fluss durch wach­sen­den Roh­stoff- und Ener­gie­ver­brauch und damit einen res­sour­cen­scho­nen­den Ein­satz mit­zu­den­ken, hal­te ich einen flä­chen­de­cken­den Ein­satz von KI in Schu­le und Unter­richt für unver­ant­wort­lich – nicht zuletzt gegen­über der Gene­ra­ti­on, die wir vor uns sit­zen haben.

Bezie­hungs­sta­tus: kompliziert

Weder bin ich welt­frem­der Tech­nik­feind, noch ver­schlie­ße ich mei­ne Augen davor, dass der längst in der Gesell­schaft ange­kom­me­ne Umgang mit KI auch Bil­dungs­auf­trag sein muss. Und natür­lich habe ich schon LLMs genutzt.

Für den Deutsch­un­ter­richt habe ich mir Schul­buch-Tex­te für schwa­che Leser in ein­fa­che­re Spra­che umfor­mu­lie­ren las­sen.
Mit Schü­lern habe ich im fobizz-Klas­sen­raum Feed­back- und Kor­rek­tur­schlei­fen für die Tex­terstel­lung genutzt und eine Ver­ein­ba­rung über die Nut­zung von KI in mei­nem Unter­richt dis­ku­tiert.
Im Schul­lei­ter-Büro las­se ich mir manch­mal bei einem Eltern­brief oder einer Mail anschlie­ßend bei einer bes­se­ren For­mu­lie­rung helfen.

Aber bei all dem beglei­tet mich ein ungu­tes Gefühl.

Zu ver­dan­ken habe ich das auch mei­nem Sohn.
Er, der in einem krea­ti­ven Beruf arbei­tet, des­sen Rän­der bereits von KI ange­nagt wer­den, ist hier im Haus ihr strengs­ter und kon­se­quen­tes­ter Kritiker.

Und dabei ist sein stärks­tes Argu­ment nicht die Sor­ge um den Beruf, son­dern um den Ver­lust von Krea­ti­vi­tät und eige­nem Denken.

Jedes Mal, wenn wir das For­mu­lie­ren eines Brie­fes, das Schrei­ben einer Geschich­te oder das Zeich­nen eines Bil­des an die KI abge­ben, wird unser eige­nes Den­ken ein wenig unschär­fer. Nicht, weil man es ver­lernt, son­dern weil man den Impuls ver­liert, über­haupt noch anzufangen.

Für mich als Leh­rer wäre das fatal.

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