#tagebuchblog 24.11.22

Heute das Auto genommen, weil ich Einkäufe für den Hauswirtschaftsunterricht dabei hatte und nach Schulschluss einen Termin. Habe meine entgegenkommenden Fahrrad-Pendler-Kollegen (man erkennt sich inzwischen an der Beleuchtung) beneidet – morgen bleibt das Auto wieder in der Garage!

Mit der Lieblingskollegin im Team-Teaching zweimal hintereinander jeweils 30 Schülerinnen und Schüler mit Einleitungssätzen, Merkmalen der Lyrik und Personifikationen bespaßt, und das ist wörtlich zu nehmen.
Auf beiden Seiten des Lehrertisches wurde reichlich gelacht, und es sind ganz unerwartete Köpfe aus der Deckung gekommen und haben geholfen, dass alle etwas lernen. Ruhig war’s nicht, oh nein, aber den Schülerinnen und Schülern zufolge ist mehr hängen geblieben als in der ganzen letzten Woche.
Ich bin wohl nur in Teilen ein „Aufgaben-Bereitsteller“ und „Lernbegleiter“ – ohne das Wechselspiel mit einer lebendigen Gruppe, ohne kleine Späße und spontane Beispiele fehlt mir etwas. Und ich bin der festen Überzeugung, dass erst dieses spontane Reagieren auf das Gegenüber eine Verknüpfung des Lerngegenstands mit der jeweiligen Lerngruppe und ihrer besonderen Situation, an vielleicht nur diesem einen Tag, ermöglicht.
Und wenn ich dann noch mit einer ähnlich denkenden vertrauten Person die Bälle hin und her spielen darf, mich mal zurücknehmen und mal vorpreschen kann, immer darauf vertrauend, dass wir ankommen werden, dann sind solche Stunden nicht mehr zu toppen. Schee war’s!

Viel Zeit zum Luftholen gab es heute nicht, in der Pause musste ich ins Auto springen, um meine Einkaufs-Truppe rechtzeitig zum Hauswirtschaftsunterricht wieder einzufangen; danach wurden dann erfolgreich Muffins gebacken, aber diese Stunden sind noch immer eine Herausforderung: Mit 10 Schülerinnen und Schülern in 80 Minuten das Rezept besprechen, die Zubereitung in zwei Kleingruppen beaufsichtigen, gemeinsam essen und anschließend die Küche wieder herrichten, kostet mich Nerven.
Und am Ende des Tages finde ich mich ganz allein mit dem Müllsack auf dem Schulhof wieder und freue mich über zwei ruhige Minuten.

Der Einkauf mit Muttern wird immer länger, an schlechten Tagen ziehen wir im Kriechgang durch den Supermarkt.
Ist nicht leicht mit anzusehen, aber immerhin geht es noch gemeinsam. Kleine Siege.

Ein wenig nachdenklich war ich heute über die Risiken des Lehrerlebens, und ich meine Lehrer-Leben.
Nachdem es kürzlich einen unschönen Zwischenfall mit einer Schülerin gab, die einem Kollegen fälschlicherweise verbale sexuelle Belästigung vorgeworfen hat, ist mir mal wieder bewusst geworden, wie sehr sich manches doch verändert hat, und worauf man inzwischen – oft schon unbewusst – achtet.
Das Ganze hat sich nach der Anhörung ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler zwar zerschlagen, und an dem Kollegen ist nichts haften geblieben, aber für kurze Zeit herrschte doch eine gewisse Unruhe.
Auch ich nehme keine einzelne Schülerin mehr im Auto mit, auch nicht bei Schnee und Eis wie früher durchaus getan. Und sommers wie winters überlege ich mir gut, wo ich stehe, wenn ich einer Schülerin im Heft etwas erkläre.
Aber als heute eine Schülerin meiner Klasse zutiefst unglücklich weinend vor mir stand, weil ihre schöne neue Jacke zerrissen war, da habe ich sie kurz gedrückt, und ich hoffe, dass ich zehn Jahre weiter noch immer in der Lage sein werde, ein elfjähriges Kind spontan zu trösten, einer Schülern ermutigend auf die Schulter zu klopfen oder eine Gruppe Mädchen an den Armen zu führen, um ein Standbild zu bauen.
Es ist gut, dass wir gegenüber den jungen Mädchen und Jungen achtsamer geworden sind, aber wir haben auch etwas verloren dabei.

2 Kommentare

    • Arne Paulsen

      Ich hoffe, dass dies gar nicht dem Kollegen persönlich galt, der ja sehr geschätzt wird, sondern der Schule (und dem eigenen Unglück darin) an sich.
      Dazu kommt dann sicher auch ein eskalierend agierendes Elternhaus.

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