Irritierend irrlichternde Interpretation

Gesundheitsminister und Bundeskanzlerin gelingt heute eine Interpretationsleistung, wie sie selbst der kreativste Kopf des Deutschkurses nicht hinbekäme. Und das mit nur einem Wort! Einem Wort zudem, was bislang niemandem zu interpretieren eingefallen ist – chapeau!

Man werde, so hieß es noch am 6. Mai aus dem Gesundheitsministerium, allen Bundesländern, die ein Impfkonzept für Jugendliche entwickeln würden, die dafür benötigten Impfdosen zusätzlich bereitstellen.

Ein Satz, den bislang wohl niemand als mehrdeutig angesehen hätte.
Aber der Gesundheitsminister und die Kanzlerin schaffen es in einer bravourös und mit Überzeugung vorgetragenen Interpretation nicht nur, diesen Satz vollkommen von Inhalt und Sinn zu befreien, nein, sie gehen sogar noch weiter, und wagen das todesmutige Kunststück, dem Wort „zusätzlich“, das bis heute niemand als auch nur ansatzweise mehrdeutig angesehen hätte, neue Bedeutung zu verleihen.

Es gebe, so die Kanzlerin beim Vorlesen ihres Interpretationsaufsatzes vor der versammelten Presse, manchmal Missverständnisse um das Wort „zusätzlich“, dass kleinere Geister im Sinne von „oben drauf“ oder „noch dazu“ verstünden.
Dies sei aber gar nicht der Wortsinn von „zusätzlich“. Dieser Begriff bedeute nämlich vielmehr so etwas wie „vom restlichen Teil abnehmen und woanders dazutun“ oder umgangssprachlich „rechte Tasche, linke Tasche“.

Was für ein Mut!
Allein das Rückgrat, dieses selbst für studierte Linguisten und Semantikprofessoren vollkommen neue Verständnis eines seit Jahren offenbar von der gesamten Sprachgemeinschaft falsch verwendeten Wortes öffentlich vor der Presse vorzutragen und dabei keinerlei Zweifel an der eigenen Denkleistung zu zeigen, verdient extra Punkte!

Auf jeden Fall zusätzliche Kreativpunkte.

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