Mein kleiner Flipped-Classroom

Wir sind wieder im Wechselunterricht. Ich kann nicht beurteilen, ob dieser Schritt angemessen oder doch zu riskant ist, aber das muss ich auch nicht, ich bin ja keiner der Entscheider, die ich im Übrigen nicht beneide.
Ich muss es nur umsetzen, also erlaube ich mir einfach die Freude, “meine” Fünftklässler wiederzusehen und versuche, ihnen zumindest einen Schulvormittag lang ein Stück weit Normalität und einen festen Rahmen zu geben.

Das gestaltet sich aber schwieriger als gedacht. War die Organisation des Distanzunterrichts schon ein Brett, ist Wechselunterricht ein ganzes Sägewerk.
Die Gruppe A kommt Montag, Mittwoch und Freitag, aber nur diese Woche, die Gruppe B hat Dienstag Erdkunde, aber dafür diese Woche kein Geschichte und nur drei Stunden Deutsch, allerdings mit einer größeren Pause für Distanzaufgaben dazwischen. Oder so.
Kann man über Wochenpläne lösen, kann man über parallel gestreamten Unterricht oder noch wieder anders lösen, kann man ignorieren.

Ich nehme diese Gelegenheit zum Anlass, ein bisschen das Prinzip des Flipped Classroom auszuprobieren. Ich beobachte bereits seit Längerem neugierig das Blog von Sebastian Schmidt, der seit 2012 Mathematik nach diesem Prinzip unterrichtet, und schaue auch bei Sebastian Stoll immer mal wieder rein.
Aber bisher hatte ich für mich den Einstieg noch nicht recht gefunden, was auch an meinen Schwerpunkt-Fächern Deutsch und Politik liegen mag.

Und auch der Gedanke an die reine Umkehr von Instruktion und übender Anwendung hat mich eher abgeschreckt. Meine Instruktionsphasen im Klassenzimmer sehen bei Weitem nicht aus wie ein Erklärvideo – weder sind sie so professionell gestaltet, noch so einkanalig in ihrer Präsentation.
Aber in Zeiten des Distanzunterrichts waren kurze Erklärvideos oder Aufgaben-unterstützende Audioaufnahmen an der Tagesordnung, der erste Schritt ist also bereits gemacht.
Ich nutze diesen Schwung jetzt , um meine Schülerinnen und Schüler an ein kleines bisschen Flippen zu gewöhnen, mal sehen, was sich in den kommenden Jahren daraus entwickelt.

Mein Vorhaben ist denkbar einfach: Ich möchte die im Wechselunterricht kostbare Präsenzzeit möglichst intensiv ausnutzen und zeitraubende “Fleißarbeiten” auslagern.
Ich plane dabei nicht, meine Fünftklässler täglich vor ein Erklärvideo zu setzen, dessen Inhalte wir dann später besprechen, sondern gebe ihnen für die Distanzphasen kleine Aufgaben verschiedenster Art, die dann im Präsenzunterricht beendet oder überarbeitet werden.

Anstatt ihnen also zuzugucken, wie sie mühsam mit Geodreieck, Lineal und Stift eine Tabelle von der Tafel abzeichnen, kann dies zuhause geschehen.
Anstatt sie im Unterricht Geschichten schreiben zu lassen, zu deren Vorstellung dann die letzten Minuten doch nicht mehr ausreichen, können sie dies in unserem Blog zuhause (oder sonstwo, wenn sie mögen) erledigen.
Anstatt dass ich ihnen Aufgaben des Schulbuchs erkläre (das erste von gefühlt etlichen Malen), können sie sie zuhause schon einmal selber lesen und zu verstehen versuchen.
Im Unterricht füllen wir dann die Tabelle gemeinsam mit Inhalten, lesen unsere Texte und besprechen und verbessern sie ausführlich, klären die mitgebrachten Fragen zum Schulbuch, um dann zügig beginnen zu können.

Mein kleiner umgedrehter Unterricht ist also keine Raketenwissenschaft – es sind vorerst nur konsequent zu Ende gedachte vorbereitende Hausaufgaben.

Diese kleinen Veränderungen sind nur ein erster Schritt. Während die bereits schulisch konditionierten höheren Klassen Unterricht oft nur noch konsumieren, möchte ich mit den fünften Klassen auf diesem und anderen Wegen wieder dahin kommen, dass die Schülerinnen und Schüler mit ihrem Vorwissen und ihren selbst entwickelten Fragen den Unterricht gemeinsam mit mir gestalten und beeinflussen.


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